Short Info

Ziele und Leitlinien

Wissenschaftstheoretische Grundlage ist ein Verständnis von Mathematikdidaktik als "design science". Im Mittelpunkt der Projektarbeit steht dementsprechend die Entwicklung und Erforschung von theoretischen Konzepten und substanziellen Lernumgebungen für den Mathematikunterricht aller Stufen. Die Arbeit orientiert sich an folgenden Leitprinzipien:

Mathematiklernen vom „wohlverstandenen“ Fach aus
 

Mathematik wird als lebendige „Wissenschaft von Mustern“ (Keith Devlin) verstanden. Als Vorbild dienen weniger systematisch ausgearbeitete fertige Muster, die leicht ein falsches Verständnis von Mathematiklernen suggerieren, sondern mehr Muster in statu nascendi. Leitend sind dementsprechend das Erforschen, Fortsetzen, Verändern und Erfinden von Mustern im Forschungsprozess. Dieser Prozess hat der Natur der Mathematik entsprechend einen spielerischen Charakter: Mathematik ist eine Art Spiel. Zwei Aspekte von Mathematik sind dabei untrennbar verbunden: der „reine Aspekt“, bei dem es ausschließlich auf innermathematische Beziehungen ankommt und bei dem die Ästhetik schöner Muster die entscheidende Rolle spielt, sowie der „angewandte“ Aspekt, bei dem Bezüge zur Realität und die Lösung praktischer Probleme im Vordergrund stehen. Die Stärke der Mathematik kann sich nur entfalten, wenn beide Aspekte aufeinander bezogen werden. Ihr maximaler praktischer Nutzen hängt von einem Vorrat von Mustern ab, die aus „spielerischem Interesse“ und nach innermathematischen Beweggründen entwickelt worden sind.

Die von Heinrich Winter formulierten allgemeinen Lernziele des Mathematikunterrichts „Mathematisieren, Explorieren, Argumentieren und Formulieren“ erfassen das „wohlverstandene“ Fach optimal und spielen daher im Projekt eine zentrale Rolle.

Da Verpackungen welcher Art auch immer das Fach verfälschen und die richtige Einstellung zum Fach behindern, wird im Projekt „mathe 2000“ bewusst auf intrinsische Motivation gesetzt. Kinder haben von klein auf ein ursprüngliches Verhältnis zu Zahlen und Formen. Daher kann die Motivation für mathematische Aktivitäten bereits bei der Frühförderung aus der Mathematik selbst geschöpft werden.

Konstruktivistische Sicht von Lernprozessen
 

Auch aus der Sicht der heutigen Lernpsychologie ist Wissen "keine vorgefertigte Sache", die vom Lehrer an die Lernenden "vermittelt" werden kann, sondern das Ergebnis einer konstruktiven Aufbauleistung, die von den Lernenden selbst ausgehend von ihrem Vorwissen im sozialen Kontakt mit dem Lehrer und anderen Lernenden erbracht werden muss. Aktives Lernen schließt die Förderung der Selbstverantwortung der Lernenden für ihre Lernfortschritte ein. Aufgabe des Lehrers ist es daher, herausfordernde Anlässe zu finden und anzubieten, ergiebige Arbeitsmittel und produktive Übungsformen bereitzustellen und vor allem eine Kommunikation aufzubauen und zu erhalten, die für alle Lernenden förderlich ist.

Diese Sichtweise des Lernens steht voll im Einklang mit dem „wohlverstandenen Fach“.

Lehren als Organisation von Lernprozessen
 

Der Lehrer hilft den Lernenden am besten, wenn er einen fachlich begründeten, klaren Rahmen schafft, innerhalb dessen sie weitgehend eigentätig und kooperativ lernen und zunehmend Erfahrungen mit der Selbstorganisation ihres Lernens machen können. Die zentrale Aufgabe des Lehrers besteht also weniger in der Vermittlung des Stoffes an die Lernenden, sondern vielmehr in der Vermittlung zwischen Stoff und Lernenden: Es gilt, die Lernenden für den Stoff und den Stoff für die Lernenden aufzuschließen, was umso besser gelingt, je besser der fachliche Rahmen ist.

Die Lernkontrolle ist umso förderlicher, je organischer sie in den Unterricht eingebaut ist. Wesentliches Element dieser systemischen Qualitätssicherung ist ein überlegter fachlicher Aufbau, der das Wesentliche hervorhebt und damit das Verständnis fördert. Dadurch ist gewährleistet, dass die Lernenden bei der Bearbeitung der Aufgaben fortwährend Rückmeldungen darüber erhalten, welche Vorkenntnisse sie nutzen können, wie weit sie bei der Beherrschung des jeweiligen Stoffes vorangekommen sind, welche Schwierigkeiten noch bestehen und wie sie diese meistern können. Die direkte Kommunikation der Lernenden mit dem Lehrer und unter den Lernenden ist dabei weit effektiver als schriftliche Tests. Indem der Lehrer die von einer guten Fachstruktur gebotenen Feedback-Prozesse nutzt und durch geeignete Maßnahmen verstärkt, leistet er die beste Hilfe zur Selbsthilfe.

Systemische Verankerung der Projektarbeit in der Praxis
 

Ein wesentliches Element der Projektaktivitäten ist die enge Zusammenarbeit mit der Praxis auf folgenden Gebieten:

  • Arbeitskreise mit Praktikern
  • Lehrerfortbildung
  • Kooperation mit der 2. Ausbildungsphase
  • Kooperation mit Schulen bei der Unterrichtsforschung
  • Bildungsberatung

Ein markanter Knotenpunkt dieses "Theorie-Praxis-Netzwerks" ist das jährliche "Symposium mathe 2000", bei dem in Vorträgen und Arbeitsgruppen neue Entwicklungen und Praxiserfahrungen vorgestellt werden. Das Symposium findet immer am Samstag nach bzw. mit Herbstbeginn statt.

Bei ihrer Entwicklungsarbeit stehen die Projektmitglieder in enger Verbindung mit der Praxis. Sie verstehen die von ihnen entwickelten substanziellen Lernumgebungen und Konzepte als Angebote an die Praxis, die der weiteren Ausarbeitung und der Anpassung an die lokalen Verhältnisse durch die Lehrerinnen und Lehrer selbst bedürfen, denn nur vor Ort liegen die Informationen vor, die für die spezifische Umsetzung der Vorschläge in einer bestimmten Klasse mit bestimmten Kindern nötig sind. Die Projektmitglieder sind offen für Kritik, ja sie brauchen diese Kritik, um ihre Angebote noch besser auf die Praxis abstimmen zu können.

Rückmeldungen zu Praxiserfahrungen mit den Materialien des Projekts werden per email an mathe2000@mathematik.uni-dortmund.de erbeten.